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Artillerie-Verein Basel-Stadt


1845 - Käppisturm in Basel

11 Jahre nach der Gründung des Artillerievereins Basel-Stadt, als Kind der im Vorjahr erfolgter Kantonstrennung, kam der Artillerieverein zu einem Sondereinsatz; das Ereignis, das wir noch heute unter der Bezeichnung "Käppisturm" kennen.

 

Im März 1844 hatte die Regierung verfügt, der schwerfällige Tschakko der Infanterie sei durch eine leichtere Kopfbedeckung, das Käppi, zu ersetzen; für die Ausrüstung der Artilleristen aber reichten die Finanzen offenbar nicht aus. Dies erboste die von besonderem Waffenstolz geprägte Kanoniere so, dass Artilleriewachtmeister und Redaktor Dr. Karl Brenner sich in der Nationalzeitung über die ungerechtfertigte Zurücksetzung beklagte. Da dieser an sich harmlose Artikel in den Augen der Behörden Anlass zu Aufreizung, Unordnung und Ungehorsam gab, wurde Brenner auf den Lohnhof beordert und dort in Gewahrsam genommen.
Bald verbreitete sich in der Stadt die Kunde von Brenners Verhaftung, welche Erstaunen und Missbilligung erregte. Da entschlossen sich die Artilleristen zur gewaltsamen Befreiung ihres Waffenbruders.
Mit klingendem Spiel marschierten sie am 4.August 1845 von der Klingentalkaserne zum Lohnhof. Noch versuchte Bürgermeister Carl Burckhardt, die Menge zu beschwichtigen, aber ein wildes Geschrei unterbrach ihn, und von hinten kamen Steine geflogen. Bald barst das äussere Tor des Gefängnisses unter Hammerschlägen und Axthieben, und die Menge drang in den Hof ein. Ein Artillerist rief:" Wir fordern die Diener der Gerechtigkeit auf, uns die Zelle Brenners zu zeigen". Noch weigerten sich die Polizisten, aber bei der Drohung, alle Türen einzuschlagen, öffneten sie die Zelle Brenners. Dieser war beim Eintritt der Artilleristen sehr betroffen und wollte zunächst nicht mitgehen. Dann gab er aber nach, und sie stiegen die Treppe hinab. Unter grossem Jubel nahmen zwei Burschen Brenner auf ihre Achseln, der Zug formierte sich und zurück ging es dem Klingental zu.
Als Dank vermachte Artilleriewachtmeister Karl Brenner sein Faschinenmesser dem Verein, welches er als Freiwilliger im Sonderbundesfeldzug getragen hatte.

 

Augenzeugenbericht eines der "Putschisten" des Käppisturms
Kanonier Georg Kiefer-Bär (1823-1895)
Aus der Basler Chronik vom 13. November 1895: Nach langem Leiden stirbt 72-jährig Georg Kiefer-Bär, Besitzer des grössten Qunicaillerie-Geschäftes der Stadt (Gründer der Firma Füglistaller als Kaufhaus Georg Kiefer & Co) ein Mann, der auf dem Gebiet der gewerblichen und kommerziellen Bildung sich viele Verdienste erworben hat. In der Politik, die er sehr aktiv mitmachte, war er in jüngeren Jahren ein Führer der Linken, später des Centrums. Er war Alterspräsident des Grossen Rats. Im Militär erreichte er den Grad eines Artillerie Hauptmanns, die Beförderung zum Major lehnte er zu Gunsten seines Geschäftes ab.
 
Die Angehörigen der am Käppisturm teilnehmenden 2 Artilleriekompagnien (knapp 300 Mann) waren grösstenteils auch Vereinsmitglieder des Kanoniervereins Basel-Stadt, nicht nur Artillerie-Wachtmeister Dr. Karl Brenner welcher 1863 zum Ehrenmitglied ernannt wurde, sondern auch Artillerie-Lieutenant Georg Kiefer welcher im Protokolleintrag 1849/50 erwähnt wird,
Quelle: Der Augenzeugenbericht erschien im Basler Stadtbuch 1898, Seiten 214-217
Auf Montag den 4. August 1845 waren zwei Kompagnien Artillerie in die Kaserne zur "Instruction" einberufen. Politische Disputationen und Machinationen waren die vorangehenden Tage an der Tagesordnung; man war in Basel in zwei Parteien geteilt: Konservative, solche waren Aristokraten genannt, und Radikale, die Jungmannschaft; besonders die Artilleristen bekannten sich zur letzteren Farbe. Im Allgemeinen huldigte man den neuen Ideen.
Eine Geschlechterherrschaft war dazumal massgebend. Diese einzulösen, dem Volksgefühle, den demokratischen Prinzipien mehr Rechnung tragend, dazu waren die Zeiten angethan und das junge Basel verlangte in diesem Sinne eine Aenderung. Die ganze Schweiz war von dieser Strömung durchzogen.
Ein geringfügiger Anlass gab den Ausschlag. Ein in der National Zeitung erschienener Artikel fand es unerklärlich, dass die Artillerie nicht, gleich wie die Infanterie, Käppi tragen solle und gab in einigen herben Worten seiner Entrüstung Ausdruck. Der Verfasser, Redakteur Dr.Brenner, selbst Artilleriewachtmeister, wurde auf den Lohnhof zitiert, allda verhört und in Arrest gesteckt. Begreiflich fand dieses Vorgehen im Volke grossen Widerwillen und Widerspruch,die aufgeregte Mannschaft verlangte Brenners Befreiung. Es gährte, man befürchtete alles Mögliche.
Nach beendigtem Morgendienst, etwa um 11 Uhr, kamen wir Soldaten überein, Schritte zur Befreiung Brenner zu thun. Es wurden Reden gehalten über das, was gethan werden sollte. Ich erinnere mich einiger Worte unseres Waffenschefs, des Herrn Oberst Stehlin, der uns zur Ruhe mahnte, aber folgendes beifliessen liess:" Soldaten, wenn Ihr etwas unternehmen wollt, so thut es nur nicht in Uniform." Die anderen Offiziere verhielten sich still. Ich benütze einen freien Moment, um das Klingenthal zu verlassen, ich hatte in dem Geschäft auf der Eisengasse notwendiges zu verrichten. Um 12 Uhr hörten wir Musik und vernahmen den Schritt und das Gejohl der ausgezogenen Artilleristen. Wir sprangen unter die Thür, und beim Anmarsch der Soldaten schrie man mir zu, mich anzuschliessen. Der Korpsgeist that das seine und ich ging mit. Dem Zuge voran unsere Unteroffiziere, fast alle, vor und hinter dem Zuge viel Volk. Bei der Leonhardskirche angelangt, fanden wir das Hauptthor der Polizei geschlossen. Wir befahlen zu öffnen, was begreiflich verweigert wurde. Darauf verlangten wir einen Hammer und sofort überbrachte man uns dieses Instrument. Ein uns befreundeter Schlosser und Andere übernahmen es das Thor zu sprengen oder einzuschlagen, was auch in wenigen Minuten bewerkstelligt wurde. Die Mannschaft, Bürger, Neugierige, Alles stürmte in den Polizeihof. Dort fanden wir alle Thüren ebenfalls verschlossen und hinter denselben standen die bewaffneten Polizeisoldaten. Im Hofe trat uns der damalige Platzkommandant Oberst Burckhardt (Chef der Stadtgarnison) mit anderen Offizieren entgegen und ermahnte zur Ruhe. Auch Bürgermeister Burckhardt gab sich ungemein Mühe, uns zu beschwichtigen.
Die Stadtgarnison harrte auf den Befehl vorzurücken. Glücklicherweise wurde diese Ordre nicht gegeben, obschon einige hitzige Offiziere darauf drangen. Landjäger waren im ersten Stock hinter den Fenstern überall verteilt, so dass die Aussicht auf ein Gelingen unseres Begehrens schwierig war und von Minute zu Minute schwieriger wurde. Schon war es über 12 Uhr und wir waren noch am gleichen Platz. Ich sah, wie eine Anzahl Artilleristen, unter denen ich hauptsächlich Unteroffiziere bemerkte, sich aus dem Staube machten und davonschlichen. Mir wurde dabei bange und ich fürchtete mich vor den Folgen. Was geschieht, wenn wir Brenner nicht herauskriegen, was für Strafe steht uns bevor, wenn wir unverrichteter Sache davonziehen? 
Dies überlegend, berate ich mich kurz mit einigen Kameraden; ich schlage ihnen vor, eine Leiter zu holen, solche direkt vor den Eingang des Gefängnisses hinzustellen, die Fenster des ersten Stockes über dem Thore einzuschlagen und so in das Zimmer zu dringen, wo wir zwei Polizisten und zwei Gefängniswärter aufgestellt sahen. Vor der unteren Thüre steht unser Bürgermeister Burckhardt. Meine Freunde gaben mir das Wort mir nachzufolgen, mich nicht zu verlassen, koste es was es wolle; sofort holte ich die mir wohlbekannte Leiter, stellte diese im raschesten Tempo dem verwunderten Bürgermeister und den Offizieren vor die Nase und bestieg dieselbe. Mit raschem Druck und Stoss wurde das obere Fenster geöffnet, vier oder fünf Freunde folgten mir. Die in dem Gemach befindlichen Gefängniswärter und das übrige Personal verteidigten sich nur wenig. Der erste Gefängniswärter (M), ein ehemaliger Artillerist, war von unserem Schlag und unserer Gemütsstimmung.
Wir forderten die Diener der Gerechtigkeit auf, uns das Gefängnis Brenners zu zeigen. Anfangs weigerten sie sich, aber bei der Drohung, alle Thüren einzuschlagen, öffneten sie die Zelle von Dr. Brenner. Dieser war bei unserem Eintritt sehr betroffen und weigerte sich mit uns zu gehen. Nichtsdestoweniger gab er nach und wir stiegen die Treppe hinab. Unten war begreiflich grosser Jubel und Juchhe. Zwei Burschen nahmen Brenner auf ihre Achseln, der Zug formierte sich und zurück ging es dem Klingenthal zu.
Alle Artilleristen waren zum Appell am Platz, die Sache vorbei, aber was jetzt? Nach vollendetem Dienst um 7 Uhr (1900 h) versammelten wir uns in der Reitschule und beratschlagten, was nun zu thun sei. Wir kamen überein, Alle für Einen einzustehen und das Uebrige abzuwarten. Was war nun die Folge dieses Putsches? Des anderen Tages hiess es, wir seien amnestiert, eine Nachricht, die uns nur angenehm sein konnte.
Der Beschluss der Regierung wurde in der Stadt gut aufgenommen, es hätte aus dieser unbedeutenden Sache ganz gut weiterer Streit und weitere Kämpfe entstehen können, welche durch die Amnestie verhütet wurden. Der ruhigen Haltung des Oberstlieutenant Burckhardt sei heute noch erwähnt und ihm Dank gebracht. Das war der sogen. Käppisturm im Jahre 1845.

 

Bericht über den Käppisturm im Illustrierter Schweizer-Kalender, 1846, Erster Jahrgang, Solothurn, Verlag von X.Amiet-Lüthy

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